Post by Ralf KusmierzDie Meinung eines Profis interessiert mich hier nur insoweit, als ich
deren überwiegender Ansicht entnehme, daß das offenbar überwiegend
Irre sind, um deren "Arbeitsgeräte" ich auch weiterhin einen großen
Bogen machen werde.
Ehrlich gesagt, kann ich mir ganz gut vorstellen, dass dieser Eindruck hier
entsteht.
Mal meine Meinung: Ich persönlich - ich bin allerdings kein Profi, der schon
mindestens 1500 Großraumjets bei der Landung aufs Dach gedreht hat - glaube
auch, dass dieser Vorfall nicht so ganz weit davon entfernt war, mit
größerem Schaden abzulaufen.
Wenn tatsächlich die Fläche den Boden berührt hat, dann muss man davon
ausgehen, dass
1.) eine größere mechanische Belastung auf sie eingewirkt hat. Die hat in
diesem Fall nur zu einer leichten Deformierung geführt. Aber wer sich einmal
ein Flugzeug aus der Nähe ansieht, wird feststellen, dass es aus relativ
leicht verformbarem Material besteht, so dass ich davon ausgehe, dass nur
vergleichsweise wenig mehr Belastung zu dem vergleichsweise wenig mehr an
Verformung geführt hätte, das zu einem Problem hätte führen können. Eine
Tragfläche trägt nur dann, wenn ihr Profil in Ordnung ist. Deshalb kann
Eisansatz ein Flugzeug zum Absturz bringen. Eine deformierte Fläche, oder
eine, die Feuer fängt, weil sie ja nunmal nicht mit Löschflüssigkeit gefüllt
ist, trägt jedenfalls nicht zur Flugsicherheit bei.
2.) eine einseitige Bremswirkung auftritt. Auch die hat sich hier im Rahmen
gehalten, keine Frage, das Teil ist ja heile gelandet. Warum habe ich ein
Problem mit einer einseitigen Abbremsung einer Fläche? Weil die andere
Fläche dadurch beschleunigt wird, mehr Auftrieb erfährt, woraus letztlich
folgendes Szenario resultieren kann: das Flugzeug dreht sich um die
Längsachse und landet auf dem Dach. Ja, ist hier nicht passiert, schon klar,
aber: das erste Kügelchen der Chain of Incidents war schon in den Fingern
des Großen Schicksalsspielers.
Ich bin jemand, der sich fürchterlich aufregen kann, wenn mal wieder eine
Landung mit defekten Landeklappen oder ein Durchstarten als
"Beinahe-Katastrophe" dargestellt werden. Das Durchstarten vergleiche ich
gerne mit dem Vorbeifahren an einer Parklücke, in der man unerwartet doch
noch einen Motorroller bemerkt hat. Die in dem Video gezeigte Landung würde
ich eher mit einem Auto vergleichen, das bei miesem Wetter aus einer Kurve
getragen wird, die Leitplanke touchiert und dennoch sicher zum Stehen kommt.
Das hat ein bisschen was mit fahrerischem Können zu tun, aber auch sehr viel
mit fragwürdiger Risikoabschätzung und mit Glück. "Hochachtung für den
Fahrer" werden danach jedenfalls die wenigsten rufen und nein, in diesen
(Ein-Mann?)-Chor stimme ich hier nicht ein. Und ich glaube auch nicht, dass
die Cockpit-Crew aus dem Flugzeug gestiegen ist und sich gesagt hat, wow, da
haben wir aber eine großartige Leistung hingelegt.
Damit will ich nicht sagen, dass ich ein größeres Medieninteresse an diesem
Vorfall für gerechtfertigt halten würde. Wo nichts Schlimmes passiert, muss
auch nichts Schlimmes berichtet werden.
Es soll auch keine Schuldzuweisung sein. Auch mangelndes fliegerisches
Können will ich hier nicht unterstellen. Natürlich war die Situation
schwierig. Aber zu leugnen, dass hier ein höheres Gefährdungspotential
vorlag als bei einer Schönwetterlandung oder zu sagen, hey, Glückwunsch,
wenn mal alle ihr Flugzeug so beherrschen würden, dass bei der Landung nur
die Flächenspitze eingedötscht wird, das finde ich in die andere Richtung
übertrieben. Da würde ich, wäre ich Luftfahrt-Laie (und nach der in diesem
Thread implizierten Definition bin ich das ja absolut, wenn ich mich recht
erinnere, dann mangels PIC-Erfahrung auf Space-Shuttles) genauso reagieren
wie Ralf.
Just my two cents,
Tobias